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Nachdenken über Clausnitz

Der im Anschluss verlinkte Artikel wurde mir in meine FB-Timeline gespült und damit ich ihn nicht vergesse, damit ich ihn mit Euch teilen kann, möchte ich ihn hier dokumentieren.

Was mir daran gut gefällt?
Da hat jemand nachgedacht, ist seinen Gedanken gefolgt und hat sie weiter gedacht. Er hat seine Gefühle, seine Haltung, seine Erinnerungen mit auf eine Gedankenreise genommen entstanden ist ein Text, der man als Text über das Denken im Alltag verstehen sollte.
Dieser Text ist für mich eine Anleitung zum Nachdenken, zum ruhigen Vergewissern, zum Werte prüfen. Es ist eine Aufforderung an sich selbst zu denken und zu prüfen, wo stehe ich in dieser Welt, wo steht diese Welt und was habe ich dazu getan, dass diese Welt da steht, wo sie steht. Es ist die Aufforderung darüber nachzudenken, muss ich was tun, muss ich Stellung beziehen, muss ich mich engagieren. Es ist die Aufforderung darüber nachzudenken, muss ich Grenzen beachten, was kann ich tun, was kann ich nicht tun.

Lasst Eure Gedanken gehen, lasst sie Kreisen und seid offen. Schaut, wo ihr in der Welt steht, wo die Welt steht und wo sie Eurer Meinung nach stehen sollte.

EIN KOMMENTAR ZUR „SCHANDE VON CLAUSNITZ“ – AUS DER SICHT EINES CLAUSNITZERS

Von Standpunkten und Kreisen

Man kann es kaum bestreiten, dass schlechte Stimmung im Land herrscht.
Es gab schon häufiger Zeiten, in denen ich dachte, Nachrichten schauen und Zeitung lesen macht keinen Spaß mehr. Es gab auch schon häufiger Zeiten, in denen mir die innenpolitischen Diskussionen gehörig auf die Nerven gingen und ich arge Zweifel an unserer politischen Klasse hatte. Aber einen so schlechten Eindruck wie zur Zeit hat unser Land noch nie auf mich gemacht.

Die Lage ist unübersichtlich und der Ton ist rau. Es wird zunehmend schwieriger mit einer gewissen Ruhe und Besonnenheit über die Lage nachzudenken und die passenden Schlüsse zu ziehen. Das beunruhigt mich tatsächlich, da ich merke, wie ungehalten und zornig ich auf manche Nachricht reagiere, die aus meiner Sicht mit Unvernunft nur unzulänglich zu beschreiben ist.

Ich muss mich dann besinnen und hoffe, dass Andere es auch tun.
Ich muss dann kurz innehalten und den Kompass herausnehmen, damit ich mich nicht treiben lasse und mich verirre. Wie gut, dass es diesen Kompass gibt.

Einen Kompass, der im Übrigen einem jeden zur Verfügung steht. Dieser Kompass erinnert an die wenigen notwendigen Regeln, an denen wir unser Handeln ausrichten müssen und an denen wir unser Handeln immer wieder überprüfen müssen, um zu wissen, ob wir auf dem richtigen Weg sind.

Es sind diese wenigen grundlegenden Sätze, denen wir unsere Freiheit und auch unseren Wohlstand verdanken. Und es sind diese wenigen Sätze, die unsere Freiheit gerade deswegen sichern und erhalten, weil wir ihnen eine universelle Bedeutung gegeben haben. Wir haben sie in ihrem Wirkungsbereich und in ihrer Bedeutung nicht eingeschränkt, weil wir wissen, dass dort, wo man Grenzen zieht, diese Grenzen zu recht auch immer anders ziehen kann. Dann wird es eine Frage des Standpunktes. Und von einem Standpunkt aus betrachtet kann man Kreise ziehen. Kreise, in denen sich einige befinden und andere nicht. Kreise, die man größer, aber die man auch kleiner machen kann.
Deswegen sind diese wenigen sehr grundsätzlichen Regeln eben auch keine Frage eines Standpunktes, sondern sie sind der unendlich große Kreis, in dem wir uns alle bewegen. Größer noch als diese Erde ist dieser Kreis,so hoffe ich es zumindest für die Zukunft, in der wir vielleicht auch mal andere Räume betreten werden und um deren “Eroberung” sich so mancher schon heute streiten möchte.

Aber wir müssen uns dieser wenigen Sätze nicht nur erinnern, wir müssen sie auch immer wieder aufs Neue sprechen, ernst meinen und es uns bestätigen. Im Denken und Handeln. Denn wenn wir es nicht tun, wenn wir anfangen den Kreis durch einen Standpunkt zu ersetzen, dann verlieren wir unsere eigene Freiheit und darüber hinaus unsere eigene Zukunft.

  1. Die Würde des Menschen ist unantastbar.
  2. Die Menschenrechte sind unverletzlich, unveräußerlich und unteilbar.
  3. Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
  4. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
  5. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
  6. Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort und Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus freu zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

Das müssen und sollten wir alle uns stets in Erinnerung halten und uns immer wieder daran ausrichten. Wir sollten keine “wenn” und “aber” zulassen, wenn Themen und Diskussionen diese universellen Grundregeln unserer eigenen Freiheit berühren. Und wir sollten aufmerken und dagegenstehen, wenn die Universalität dieser Regeln bereits nur im Ansatz in Frage stehen.

Gerade die Universalität und Unteilbarkeit sowohl der Menschrechte als auch der Grundrechte unseres Grundgesetzes sind die Stärke, die uns alle beschützt und uns allen unsere Freiheit schenken.

Das sollten wir nicht vergessen.

Bleibt ein Kreis, bleibt im Kreis.

Dinge, die wir in Deutschland nicht mehr wollen (11)

Parteien oder Gruppierungen, die uns sagen, was wir lesen dürfen und was nicht.

Das Andere Deutschland wurde 1933 verboten. Den Nationalsozialisten gefiel nicht, was Autoren wie beispielsweise Kurt Tucholsky zu sagen hatten. Da wurde die Zeitschrift kurzerhand verboten.
So etwas passiert, wenn man Meinungsfreiheit als Lügenpresse tituliert, dass sollte man sich schon ganz genau überlegen.

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"Verboten Zeitung 1933". Licensed under Public Domain via Wikimedia Commons.

Dinge, die wir in Deutschland nicht mehr wollen (10)

Wir haben so unsere Erfahrungen darin, uns aus Halbwahrheiten, die nicht einmal annähernd zur Hälfte wahr sind und aus Vorurteilen und Ressentiments feste Weltbilder und Feindbilder zu zimmern.

Wir haben diese Erfahrung gemacht und haben damit sehr viel Unglück in die Welt getragen. Und obwohl ich mir so sicher war, dass sich so etwas niemals wiederholen könnte, muss ich doch feststellen, wie einfach es für doch recht viele Menschen ist, dass alles zu vergessen und beiseite zu lassen.
Und wie einfach man es sich machen kann, wenn man sich nur nicht mit der Wirklichkeit beschäftigen möchte, mit den eigenen Unzulänglichkeiten und törichten Dummheiten. Und wie schnell man da jemanden finden kann, dem man es in die Schuhe schiebt. Jemand der sich nicht wehren kann.

Und es spielt keine Rolle, ob wir uns denjenigen aussuchen, weil er eine bestimmte Religion hat, weil er eine bestimmte Hautfarbe hat, weil er sein Land verlassen hat (was wir natürlich niemals tun würden – nein – wir würden heroisch sterben und zu Grunde gehen) oder warum auch immer.

Nur nicht mit sich selbst beschäftigen und mit den Folgen des eigenen Handelns.

 

Das hatten wir alles schon – und wir wollen es nicht wieder!

 

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"Auschwitz outerwear distinguish yellow Star of David" by Takkk - Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.

Komm an mein Herz

Ich sitze fassungslos vor meinem Bildschirm und schaue mir eine Fotostrecke mit Bilder der ertrinkenden Menschen vor der griechischen Insel Lesbos an.

Das sind so viele Menschen, die um ihr Leben kämpfen, schon lange darum kämpfen und nun kurz bevor sie das Europa erreichen, von dem Sie Sicherheit erhoffen, kämpfen sie wieder. Um ihr Leben. Um das nackte Überleben.

Ich sehe Bilder von Rettungsschwimmern, die kleine Kinder aus dem Wasser retten. Fassungslos die Gesichter der Rettungsschwimmer. Entsetzen, nackte Angst und Panik auf den Gesichtern der Kinder.

Auf einem weiteren Bild sitzt eine Frau. Sie ist dort um zu helfen. Nun sitzt sie da und weint. Sie hält ein totes Kleinkind im Arm. Es ist nicht ihres, aber sie weint um dieses Kind.

Wer weint noch um dieses Kind? Wo ist die Familie, die Eltern, die Mutter. Sind sie auch ertrunken? Suchen sie ihr Kind? Wie verzweifelt werden sie sein? Werden sie am Ende denken die Flucht war ein Fehler? Ein Fehler die eine Verzweiflung gegen die andere zu tauschen? Wobei doch das Eine eine Hoffnung war.

Wie verlassen sind diese Menschen? Die Geflohenen und auch die, die ihnen dort in den rauen Wellen zur Seite stehen? Dort ist so viel Menschlichkeit, sowohl in dieser Tiefen Verzweiflung als auch in der Hingabe und Selbstverständlichkeit, mit der diese Männer und Frauen ins Wasser gehen um die Ertrinkenden zu retten.

Lesbos ist weit weg. Diese Krisen sind weit weg. Aber dieses Elend ist ganz nah. Man muss nur diese Bilder anschauen und die Gefühle zulassen die diese Bilder an uns herantragen. Diese Gefühle, die wir doch in uns tragen?

Ich schaue mir ein paar Bilder von meinen Söhnen an. Und ich stelle mir ganz feste vor wie diese wunderschönen kleinen Menschen im Wasser kämpfen. Nach ihrer Mutter schreien und ihrem Vater, der ihnen nicht helfen kann.

Ich quäle mich damit und mir laufen Tränen die Wange herunter. Das zweite Mal. Das erste Mal als ich die Fotostrecke ansah.

Ich möchte mich so quälen. Es ist nicht nötig, aber ich möchte es. Ich will damit dieses Mitgefühl in mir wachhalten mit den Geflohenen, die so viel mehr verloren haben als ich es mit vorstellen kann. Ich will nicht abstumpfen und besonders möchte ich nie so sein wie Die.

Die - die nur von Zahlen reden.

Die - die nur von den Schwierigkeiten reden.

Die - die eigentlich nur an sich denken und Dinge durcheinander diskutieren, die hier keinen Platz und keine Berechtigung haben.

Die - die Zäune bauen wollen.

Die - die von den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung reden, aber eigentlich nur meinen, dass sie diese Ausländer, diese Fremden, die Andersgläubigen nicht wollen. Einfach nicht wollen.

Ich möchte diese Menschlichkeit der Tragödie, jeder einzelner Person dieser Tragödie spüren und teilhaben und mitfühlen. Und ich möchte dieses tote Kind in den Arm nehmen und es trösten und mich entschuldigen. Ich würde gerne von diesem Kind Abschied nehmen, weil es wohl das Einzige wäre was ich noch für es tun könnte. Ihm wünschen, dass nun alles Gut ist und das es gehen kann ohne vergessen zu werden.

Ich schaue noch einmal die Bilderstrecke an und dann ein paar Fotos von meinen Söhnen. Ich gehe durch mein Haus und meinen Garten.

Wir werden uns heute mit Freunden treffen und gemeinsam kochen und essen. Wir werden Wein trinken und unsere Kinder werden miteinander spielen.

Und ich werde das Bild von dem ertrunkenen Kind mitnehmen. Es fest in mein Herz schließen und ich werde nicht aufhören denen zu zürnen und denen zu widersprechen.

Denen, die nicht einfach erst mal einfach das tun, was zu tun ist obwohl sie dazu in der Lage sind.

Lasst die Menschen nicht ertrinken. Nicht im Wasser des Mittelmeeres, nicht in den Sorgen und Ängsten zu Hause, nicht in den Wellen des Hasses, nicht an den Schleusen der Grenzen.

Seid wie diese Rettungsschwimmer auf Lesbos. Ein Sprung ins kalte Wasser - um den Rest kümmern wir uns später.

 

Die Fotostrecke findet ihr hier: Drama in der Ägäis