Bisher war ich nur Beobachter einer Diskussion, die mich noch nicht berührte. Das ist nun anders.
Ich bin mit Büchern aufgewachsen. Unzählige habe ich gelesen und unzählige habe ich vergessen. Ich habe geweint, gelacht, getrauert. Ich habe die ganze Bandbreite menschlicher Empfindungen erlebt in Geschichten aus aller Welt, von überall her, besonders aus der Phantasie. Und es gibt Bücher an deren Geruch ich mich noch erinnere. Weil sie neu waren oder ganz alt. Sie rochen nach Druckerschwärze, nach Papier, nach Fabrik oder nach fremden Menschen, aus deren Haushalten ich sie durch den Umweg über das Antiquariat empfing. Ich besitze Bücher, die unvergleichlich gut in der Hand liegen, Bücher die schwer und klobig sind, kleine Bücher und große Bücher. Leichte Bücher und schwere Bücher. Womit wir wieder bei den Geschichten wären.
Lesen hatte für mich von Anfang an etwas sinnliches. Schon als Kind konnte ich nicht nur "in Fremde Welten" eintauchen, ganz im Gegenteil. Diese Welten wurden zu meinen eigenen Welten. Ich machte mir die Geschichten zu eigen. Zu meinen Geschichten. Und ergänzte mein Leben um Erlebnisse, die ich sonst nicht hatte. Ich WAR in der Wüste und auf dem Mond, und kein Mensch kann mir das Gegenteil beweisen. Es war ausser mir niemand dabei.
In dieser sinnlichen Erfahrung einer Geschichte, so redete ich mir bis vor kurzem noch ein, spielte das gedruckte Buch eine wichtige Rolle. Die Freude und der Grad der sinnlichen Erfahrung dieses Buches sollten doch mit seiner Ausstattung, Gestaltung, mit seiner liebevollen Entstehungsgeschichte korrespondieren. Und in der Tat, oft habe ich dies erlebt. Andreas Thalmeyers "Wasserzeichen der Poesie" ist eines dieser Bücher. Herausgegeben von Hans Magnus Enzenberger und verlegt bei Franz Greno in Nördlingen ist ein Buch, bei dem Form UND Inhalt sich für mich zu einem wundervollen Gesamtwerk verschmelzen. Dieses Buch müsste der Beweis für all diejenigen sein, die dem gedruckten Buch das Wort reden und dem digitalisierten Buch, dem eBook seine Berechtigung klein reden.
Inzwischen bin ich, man mag es Zufall nennen, Besitzer eines Tablet-PCs geworden. Mit passender App durchaus tauglich als elektronisches Bücherregal. Als Buch. Als Medium, Geschichten zu transportieren. Ich wollte es gerne ausprobieren und habe mir eine passende App installiert und einige gemeinfreie Bücher besorgt. Im passenden Store, ziemlich weit oben auf der Liste der kostenlosen Bücher bin ich schnell fündig geworden und habe mir Bücher von Jules Verne heruntergeladen. Dem Testen des Leseerlebnisses stand nun nichts mehr im Wege. Es scheint mir unnötig mein Leseerlebnis in allen Details zu schildern. Nur so viel sei gesagt. Das Lesen eines Buches auf einem Lesegerät steht, vorausgesetzt die Geschichte ist gut, in nichts dem Lesen eines gedruckten Buches nach. Die Vorteile des Lesegerätes und die Vorteile des gedruckten Buches - dazu ist mit wenigen Mausklicks Alles zu finden. Ich bin ein neuer Freund der Lesegeräte und beabsichtige, mir ein solches anzuschaffen. Ich mag das unkomplizierte Kaufen. Die neuen Möglichkeiten, die gedruckte Bücher bisher nicht boten. Ich mag, das ich eine neue und zusätzliche Möglichkeit gefunden habe zu lesen. Mir neue Gelegenheiten zu schaffen. Mir die Freiheit zu gönnen zu lesen was ich will und nicht was ich gerade dabei habe.
Aber ich liebe das gedruckte Buch. Und daher wünsche ich mir beides. Und wie bisher wird es mir passieren, das ich ein Buch, das ich mir gliehen habe, besitzen möchte. Ich möchte es in meinem Regal sehen, in die Hand nehmen können. Dann werde ich es kaufen. Wenn es mir etwas bedeutet.
Ich möchte sehen was ich gelesen habe. Auch nachdem ich es gelesen habe. Ich brauche das gedruckte Buch, ich brauche mein Bücherregal. Es ist Teil von mir und sichtbarer und greifbarer Teil meines Selbstverständnisses. Etwas das ich anfassen und begreifen kann. Etwas das ich zeigen kann und durch das andere Menschen etwas über mich erfahren können. Aber der größere Teil meiner Persönlichkeit, das was mich ausmacht, das sind die Geschichten. Meine und andere. Und die finden eben im Kopf statt. Und wenn ich darüber rede. Wenn ich über mich erzähle. Analog.
Die Zukunft des Buches wird auf absehbare Zeit in beidem bestehen. Gedruckt und digital. Das Wesen eines Buches ist aber seine Geschichte. Sie entscheidet, ob das Buch gelesen wird oder nicht. Dazu muss Sie die Menschen berühren, im Herzen und im Kopf. Sie wird ihre Leser finden und sie wird weitererzählt und weiterempfohlen werden. Lediglich ob sie sichtbar überdauert, als gedrucktes Buch in den Regalen und Bibliotheken, das wage ich zu bezweifeln. Mehr denn je wird die Qualität und Bedeutung einer Geschichte nicht in der Anzahl verkaufter Exemplare ihren Ausdruck finden, sondern in der Bedeutung, die sie für ihre Leesr hat. In der Beständigkeit in der Zeit. Vielleicht wird das eines Tages die Revolution des digitalen Lesens sein. In der Zeit die Spreu vom Weizen zu trennen.
Es ist seid langer Zeit ein Abend, an dem ich meinen Gedanken nachhänge und in alten Sachen stöbere. Bezogen auf mein Onlineleben schaue ich mir meine alten Blogs an und finde die ein oder ander Perle wieder.
Und was mir am meisten auffällt. Am lesenswertesten sind jene Gedanken, die zwar einen aktuellen Ursprung haben, bei denen das Grundproblem aber generischer Natur ist. Zum Beispiel die veränderten Zielsetzungen oder Spielregeln in der Poltitik. Ein über die Jahre hinweg allmählich verschobener Fokus, gefolgt von veränderten Verhaltensweisen. Die Folge: Politik- und Politikerverdrossenheit, das Gefühl als Wähler nicht mehr ernst genommen zu werden und das viel gefährlichere Gefühl nicht mehr im Fokus des Interesses zu stehen.
Erschreckend wie aktuell das noch ist, vor allem wenn man das Thema abstrahiert. Hier geht es ja nicht um Koalitionen, sondern um Interessenvertretung.
Ich bin schon seit Ewigkeiten Internetnutzer, Hardcoresurfer, Onlineshopper, Suchmaschinenquäler und was immer man auch sonst noch an Internetnutzung erwähnen kann. Ich habe Accounts in ziemlich allen sozialen Netzwerken, twittere und habe meinen Blog. Ich habe Webseiten erstellt, habe vier Domains und kenne mich so einigermaßen aus. Ich lese Nachrichten ausschließlich Online, kommunziere per Mail, Voicemail und Videotelefonie. Ich erledige eine Menge Sachen Online, habe meine zahlreichen Internetfähigen Geräte weitestgehend vernetzt, bin online mit PC, Netbook, TablePc und Smartphone und gehöre sicher zu denen die man gemeinhin als Netizen bezeichnet. Daher auch mein Interesse an Blogs und Netznachrichten und Netzpolitik.
Und was ist die Folge davon?
Ich konsumiere Unmengen an Informationen, die sich fein säuberlich in meinem Hirn vernetzen und ablagern, hätte alle Möglichkeiten um davon in meinen Netzwerken und vor allem in meinem Blog zu profitieren und kann mic dennoch gar nicht mehr entscheiden, worüber ich hier schreiben soll. Politik? - Momentan zu bescheuert! Wirtschaft? Politik hoch 2! Internet? - Wird alles schon hundertfach kolportiert! Netzpolitik? - Zu viele Diskussionen von der falschen Seite her betrachtet. Einfach meist am Thema vorbei! Social Media? - Dumpfbacken oder Hypeabhängige! Entweder nix verstanden oder alles so unfassbar toll und wichtig!
Aber was ist passiert?
Es scheint so zu sein, das eine übermäßige Beschäftigung mit einem Thema eben nicht dazu führt, darüber kommunizieren zu können. Entweder man hat schon Alles gelesen oder man hat Angst sich eine Blöße zu geben. Die Themenvielfalt erschlägt und es gibt keinen Fokus mehr. Zu was soll ich mich entscheiden? Woran muss ich denken und was muss ich vermeiden? Bis all die zu bedenkenden Dinge bedacht worden sind ist das Thema schon nicht mehr interessant.
Will heißen . im eigenen Kopf geschieht das Gleiche wie in den Medien. Es wird eine Sau nach deer anderen durch das Dorf getrieben. Bloss das ich als Person meine Verbalergüsse dann lieber runterschlucke, als mich in die lange Reihe derer zu begeben, die eigetlich gar nicht wissen worüber sie schreiben sollen und dann eben über das Schreiben, worüber die andern auch schreiben. Denn das worüber die anderen schreiben ist ja wohl das, was zur Zeit interessant ist.
Gefehlt - denn wenn ich mich daran erinnere, wann und was ich gerne gebloggt habe, was mir wichtig war, dann sind das auch diejenigen Beiträge, die mir die meisten Reaktionen eingebracht haben. Da ergaben sich dann kontroverse Unterhaltungen, gab es positives Feedback und auch mal eine schallende Klatsche, wenn man sich sponta zu was hinreißen ließ. Das entscheidende aber war - ich habe aus eigenem Interesse geschrieben. Für mich. Meine eigene Meinung einfach niedergeschrieben.
Und da muss ich wieder hin. Denn wozu betreibe ich den ganzen Aufwand mit Hard- und Software? Damit ich es habe und dann nix mehr damit anfange? Nö.
Zum 10ten Hochzeitstag, von dem ich irrtümlich angenommen hatte es handele sich um die "Hölzerne Hochzeit" schenkte ich meiner Frau vor inzwischen über drei Jahren ein "Kettensägen-Massaker".
Aber keine Sorge – Ihr geht es gut und wir sind immer noch verheiratet.
Damals stellte ich ein Foto von meiner liebesinspirierten Tat ins Internet, aber leider ist das Foto beim Umzug meines Blogs im Datennirwana gelandet. Nicht aber das geschnitzte Herz. Das steht noch immer in unserem Garten und hat durch unseren 8-jährigen Sohn steinernen Nachwuchs bekommen. Jetzt sind es zwei Herzen und wer weiß, vielleicht werden es ja noch mehr.
Mahtma Ghandi, quasi Erfinder des zivilen Ungehorsams und damit Begründer der größten Demokratie der Welt, formulierte einst die sieben sozialen Sünden der Gesellschaft. Sein Ziel eines demokratischen Indiens wurde erreicht, die siben Sünden leben aber fort:
Reichtum ohne Arbeit
Genuss ohne Gewissen
Erkenntnis ohne Charakter
Geschäft ohne Moral
Wissenschaft ohne Menschlichkeit
Religion ohne Opfer
Politik ohne Prinzipien
Alleine das Lesen dieser Sozialen Sünden der Gesellschaft löst Betroffenheit bei mir aus, und das ohne mich weiter damit beschäftigt zu haben, daher wollte ich Euch diese nicht vorenthalten. Wenn ich mit verschiedene gesellschaftspolitische Diskussionen aus der jüngeren Vergangenheit vor Augen führe, entdecke ich mehr als nur Parallelen zu diesen sieben Punkten.
Mal eine Frage an den TV: Wie wäre es mit einer Artikelreihe über genau diese sieben Punkte oder noch besser mit einer siebenwöchigen Reihe, in der jeweils an einem Tag der Woche eine Themenseite veröffentlicht würde, in der Politiker, Wissenschaftler, Religionsvertreter, Journalisten, Blogger oder weiß Gott wer noch alles zu dem jeweiligen Thema Stellung beziehen würden. Eingerahmt werden könnte dies durch eine Berichterstattung zu Mahatma Ghandi und den verschiedenen Stationen seines Lebens.
Möglicherweise ließe sich hier sogar eine enge Zusammenarbeit mit verschiedensten Fachrichtungen der Trierer Hochschulen realisieren, so daß eine Veranstaltung zur Bestandsaufnahme unserer Gesellschaft den Abbschluß einer solchen Reihe bilden könnte. Der TV hat doch sicher engagierte Mitarbeiter, die sich einer solchen Idee annehmen könnten. Und der TV hat gewiss interessierte Leser, die eine solche Themenreihe mit viel Interesse und Wohlwollen verfolgen, und im Falle der Blogger sogar begleiten könnten.
Mir kommt diese Idee eigentlich ganz vielversprechend vor.
Was meinen Blogger und TV dazu?