Warten
Es war schon ein seltsames Gefühl, so Stunde um Stunde herumsitzen zu müssen, ohne etwas tun zu können. Dieses hilflose Ausgeliefert sein an andere Menschen. Und das Schicksal nicht mehr in eigenen Händen halten zu können. Das machte ihn ungeduldig. In seiner Brust drängte und schrie es nach neuen Nachrichten, aber man ließ ihn in dem kalten und kahlen Flur sitzen und warten.
Manchmal gingen beschäftigt wirkende, eilige Menschen an ihm vorbei. Sie hasteten an ihm vorüber. Einige hatten einen kurzen, erstaunten Blick für ihn und nur wenige grüßten ihn flüchtig im vorübergehen. Doch die meisten schienen ihn gar nicht wahrzunehmen. Sie gingen an ihm vorüber wie an einem Gegenstand, der auf einer Bank in einem langen Flur liegen geblieben war, und der erst bemerkt werden würde, wenn sich jemand auf ihn setzte.
Es war ein endloses Warten hindurch durch endlos sich verlängernde Stunden. Jede Minute war unermeßlich lange Zeit. Sie wurde zerhackt und verstümmelt von den scharfen Schlägen eines Sekundnzeigers. Sie fügte sich gleich hinter jedem Ticken zur Vergangenheit. Immer nah, und dann weiter zurückgleitend. Gleichwerdend den anderen Stücken und sich zusammenfügend wie ein Puzzle. Ein strukturiertes, aber unscharfes Bild seiner Qual.
Warten und immer weiter Warten. Vor ihm nichts und hinter ihm nichts. Jedes Ticken vergrößerte das Bild dessen, was einmal war, ohne Ahnung dessen, was kommen sollte. Jedes Ticken, jeder Schlag vergrößerte auch seine Ungewißheit.
Spannung. Schritte. Kamen sie zu ihm oder würden sie wieder, ohne zu zögern an ihm vorüber schreiten. Sie kamen.
Und sie gingen.
Warten.
Sissyphusgleiches Warten.
Keine Erinnerung mehr.
Sommergewitter
Schon seit längerer Zeit hatten sie kein vernünfiges Gespräch miteinander geführt. Ständig waren sie darauf bedacht, sich auszuweichen, sich aus den Füßen zu gehen. Und in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung war das wirklich nicht so einfach. Aber beide hatten sie es bis zur Perfektion entwickelt, Gründe dafür zu finden, sich gerade in dem Zimmer aufzuhalten, in welchem der andere sich nicht befand. Wie die Katzen um den Brei schlichen sie umeinander herum und hofften auf Abkühlung, auf eine Entspannung der Lage. Aber genauso wenig wie sich die schwüle Hitze eines Sommertages ohne ein Gewitter entladen kann, genauso würden beide nicht zur Ruhe kommen ohne kühlendes Gewitter.
Und wie ein Sommergewitter manchmal scheinbar ewig auf sich warten lässt, so ließ auch das Gewitter zwischen ihnen lange auf sich warten, nur um dann endlich mit brachialer Gewalt über sie
hereinzubrechen.
Wie eine Naturgewalt kam es über sie und nur den unauslöschlich eingeprägten Grundregeln ihrer Zivilisiertheit hatten sie es zu verdanken, dass neben dem Porzellan nicht auch ihre Schädel
zertrümmert wurden.
Erschöpft und ausgebrannt, mit fiebrigen Augen sich gegenseitig fixierend, saßen sie sich im Wohnraum gegenüber. Sie atmeten schwer und eine bleierne Stille lag über ihnen.
Unausgesprochen schwebte die Trennung über ihnen und die nächste Regung, das erste Wort das einer von beiden sprechen sollte, konnte die Entscheidung bringen.
Wie angenagelt saßen sie sich gegenüber und ließen sich nicht aus den Augen., fixierten sich unablässig. Beide waren sehr erschöpft nach diesem heftigen Ausbruch lang angestauter Gefühle. Beide hatten darauf gewartet und sollten eigentlich erleichtert sein. Stattdessen war die Anspannung größer als je zuvor. Und beide waren sich der beinahen Ausweglosigkeit der Situation bewusst. Sie hatten zu lange gewartet, zu viele Frustrationen angesammelt und zu viel Aggression gegeneinander aufgebaut. Jetzt war die Spitze des Eisberges erreicht und es gab nur noch zwei Möglichkeiten. Ja oder nein, schwarz oder weiß.
Immer noch saßen sie in der Stille und regten sich nicht. Die Spannung war auf dem Höhepunkt als er endlich tief Luft holte, das Gesicht zu einer Grimasse verschnitt, den Körper spannte und - nieste!
Sie saß ihm gegenüber und begann mit einem harmlosen Atemholen, das sich von einem Glucksen bis zu einem köstlich schallenden Gelächter steigerte. Sie hielt sich den Bauch und fiel vor Lachen fast aus dem Sessel. Dieses herrliche, fröhliche Lachen, dem er noch nie widerstehen konnte und in das er einfallen musste.
Lachend fassten sie sich an der Hand und gingen zu Bett.
Ende
P.S.: Es ist zwar gerade Winter und das “Geschichtchen” ist uralt, aber was soll’s.
Na? Wer von Euch weiß?, wo ich da mal gewohnt habe?
Gemeint ist natürlich nicht die Stadt!
Das ist natürlich Trier!
Unglaublich was man alles auf einer Festplatte so finden kann, und das, obwohl es damals noch keine (bezahlbaren) Digitalkameras gab.
Beim Surfen auf meiner Festplatte habe ich eben ein Foto aus ca. 1995 gefunden, als mein Wohnsitz noch in Trier war. Das Foto wurde selbstverständlich noch analog erstellt, und da meine technische Ausstattung höchstens semiprofessionell ist, gibt der vorliegende Scan das Bild leider nur mangelhaft wieder.Ich wollte es Euch dennoch nicht vorenthalten
Aber nicht das jemand auf die Idee kommt, das Bild hätte mit Trier mehr zu tun, als das es lediglich am Moselufer beim Bootshaus entstanden wäre!
Das ist jetzt natürlich keine Umfrage im althergebrachten Sinne, aber Eines interessiert mich dann doch.
Der TV Blog-Roman ist vor einiger Zeit an den Start gegangen und es sind schon etliche Auszüge veröffentlicht worden. Die Leserschaft ist bisher überschaubar, aber noch überschaubarer sind die Kommentare, Anregungen, Anmerkungen oder Aufforderungen zur Fortsetzung der Geschichte.
Daher meine Frage an Alle innerhalb der Volksfreund-Blogosphäre, aber auch an Alle Anderen da draußen:
1) Habt Ihr schon mal reingeschaut?
2) Werdet Ihr noch einmal reinschauen?
3) Und wie findet Ihr den Blog-Roman bisher?
Die Antworten könnt Ihr gerne hier posten, besser aber noch im entsprechenden Blog.
Falls Ihr aber bisher noch gar nicht reingelesen habt, dann könnt Ihr hier beginnen, und am Ende eines jeden Eintrages dann auf "weiterlesen" klicken.