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Der Unrechtsstaat(sanwalt)

Ich weiß, dass es schwer ist. Aber seien wir einmal fair.
Daher wollen wir nun vor dem Weiterlesen ein Blatt Papier nehmen und unsere schlimmen Gedanken, all die bösen Wörter, unser Unbehagen und unseren Abscheu auf dieses Blatt Papier schreiben. Aber keine Angst, es muss kein großes Blatt Papier sein, denn wir wollen nur ein einziges Wort darauf schreiben. Geben wir uns einen Ruck und tun es - schreiben wir es nieder:

KINDERPRONOGRAFIE

Puh. Das ist gar nicht so einfach. Geben wir es zu. Wir haben es noch nicht geschrieben und schon wollen wir den Zettel loswerden. Entsorgen, bevor jemand mitbekommt, was wir hier treiben. Nicht erklären müssen, warum wir dieses Wort aufschreiben. Ganz ehrlich?
Es ist eigentlich kaum möglich dieses Wort auf einen Zettel zu schreiben und diesen Zettel einfach so beiseite zu legen. Noch unmöglicher ist es mit unseren Gedanken - nicht wahr?

Ja, es ist schwer, wenn nicht gar unmöglich, aber es muss sein. Denn es gibt etwas, das ebenso wichtig ist wie die Unschuld dieser Kinder, an die wir denken. Es ist die Unschuld selbst.
Im Recht spricht man von der Unschuldsvermutung. Und jeder von uns hat so eine ganz kleine Ahnung, warum diese Unschuldsvermutung so wichtig ist. Wir kennen dieses Ohnmachtsgefühl, zu Unrecht verdächtigt zu werden und einem bereits gefassten Urteil kaum noch etwas entgegensetzen zu können. Wer stand nicht schon einmal als Kind im Verdacht heimlich die Schokolade aufgegessen zu haben obwohl man es nicht war. Nur weil man zuvor bereits dabei erwischt worden war. Aber eben dieses eine mal nicht - und niemand schenkte den Beteuerungen so recht Glauben.

Heribert Prantl schreibt in der Sueddeutschen Zeitung "Strafrecht ist kein Moralrecht" (hier) und empfiehlt uns, was wir ja eben bereits getan haben. Wir haben unser Zettelchen geschrieben und es beiseite gelegt (Wo ist das Zettelchen?). Und er benutzt in seinem Artikel ein Wort, das es kaum besser beschreiben könnte, warum es die Unschuldsvermutung gibt, und warum es unter diesen Umständen so enorm wichtig ist, das die beteiligten Akteure Ihre Arbeit gut machen. Er nennt die Vorwürfe "klebrig".
Der Verdacht Kinderpornografie zu konsumieren ist so ungeheuerlich und eben so klebrig, dass derjenige der im Verdacht steht die entsprechenden Neigungen zu haben weder die Vorwürfe jemals wieder los wird, geschweige denn die Chance hat für seine anderen, dennoch vorhandenen guten Seiten jemals wieder geschätzt zu werden.

Gehen wir einen Schritt zurück.
Sebastian Edathy wurde für seine Rolle im NSU-Untersuchungsausschuss weithin geschätzt. Er durfte viel Lob über sich ergehen lassen und nicht wenige hatten in ihm einen Hoffnungsträger gesehen. Ein seltenes Talent in der weithin talentfreien Politikszene. Jemand, der sich für die Zukunft empfohlen hatte und von dem man für die Partei noch vieles erwarten durfte.

Was wir dabei aber nicht vergessen wollen:
Herr Edathy war auch damals schon Herr Edathy. Ein Mensch mit, wie wir heute wissen, auch anderen Seiten und Neigungen. Jemand der sich Respekt erworben hatte von Leuten, die das heute alle nicht mehr wissen wollen. Die Herrn Edathy am Liebsten mitsamt dem Zettelchen unauffällig entsorgen und vergessen wollen. Aber es gibt eben nicht nur die eine Seite eines Menschen, die uns angenehm ist.

Wir fanden im Nachhinein also den Herrn Edathy nur deswegen so gut, weil wir etwas von ihm nicht wussten? Eine, wie ich finde,  bedrückende Vorstellung, wenn wir davon ausgehen, das wir die Erkenntnisse von heute nach Recht und Gesetz nicht haben dürften.
Aber wie viele andere Menschen, die wir aufgrund Ihrer Leistungen schätzen, haben Eigenschaften oder Charakterzüge die wir verabscheuen würden, wenn wir davon wüssten. Das wissen wir nicht und fragen auch nicht danach. Weil wir etwas in Ihnen sehen, das uns vermuten lässt, dass das was wir nicht sehen auch in Ordnung ist. Auch dies ist eine Form der Unschuldvermutung und sie ist der Normalfall. Ohne das gäbe es nur Mistrauen auf der Welt und niemand, wirklich niemad hätte je eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit irgendwem!
Bei Herrn Edathy ist nun ein Wissen (fragwürdig!) in der Welt und mit diesem Wissen zugleich ein Urteil. Diesen Umstand müssen wir eingestehen. "Klebrig" nennt Heribert Prantl die Vorwürfe. Aber sie sind mehr. Diese Form von Vorwürfen sind ein Urteil. Geben wir das bitte zu. Herr Edathy ist verurteilt, egal wie es weitergeht. Alles was wir Gutes an ihm gesehen haben, alles was er sich an Lebensleistung erworben hat (vermutlich öffentlich und privat) ist zerstört.

Und das nicht, weil er überführt und verurteilt wurde von Instanzen die dazu das Recht haben in dem sie sich an Recht und Gesetz hielten. Nicht einmal, weil er etwas getan hat (nichts bewiesenes, was straffrechtlich relevant ist!). Er ist vernichtet und zerstört aufgrund der Unterstellung, dass er etwas getan haben könnte ( so die "Erfahrung" der Staatsanwälte. Und dieses in diesem Zusammenhang extrem diffamierende "üblicherweise" hängt mir sehr zum Hals raus!).
Es handelt sich nicht um Steuerhinterziehung (na ja!), nicht um eine Fahrt unter Alkoholeinfluss (Oh!) oder eine Vorteilsnahme im Amt (sic!). Es handelt sich nicht um einen Umstand, bei dem sich die ermittelnden Behörden mit dem eingestehen von Übereifer und einer Entschuldigung zurückziehen können. Verdachtsmomente, die sich ausräumen lassen und die Wunden hinterlassen, welche mit der Zeit wieder heilen mögen.

Hier wurde - und das muss in dieser Deutlichkeit klipp und klar gesagt werden (und das Zettelchen liegt immer noch beiseite!!!) das Leben eines Mannes zerstört, weil man die Unschuldvermutung aus ungeklärten Motiven über Bord warf und mit ihr das Gefühl für die Brisanz und die besondere Verantwortung der handelnden Personen baden ging.
Möglicherweise wurde Herrn Edathy seine Prominenz zum Verhängnis und er erhielt eine gegen ihn gerichtete Sonderbehandlung. Ich hoffe insbesondere die Staatsanwaltschaft in Hannover wird sich dazu irgendwann selbstkritisch und erhellend äußern. Die Art wie man auf der Pressekonferenz mit dem Umschlag kokettierte, in welchem das Beweismaterial (welch trügerisches Wort) enthalten sei, sagt allerdings mehr über diesen Staatsanwalt, als wir es jemals von ihm selbst werden hören dürfen und in dieser Geste liegt vermutlich mehr Wahrheit über diesen Fall, als es alle Worte jemals sagen können.
Ich persönlich unterstelle den handelnden Ermittlern und Ermittlungsbehörden völlig das Maß verloren zu haben und in eine Art Rausch verfallen zu sein. Sie hätten sich ein Zettelchen schreiben sollen. Es beiseite legen. Und es wäre noch da gewesen, hätte man es jemals benötigen sollen.
Diese Ermittler und Ermittlungsbehörden sind die Ursache für das, was wir heute beobachten und was auch als Regierungskrise, mindestens aber als Vertrauenskrise bezeichnet werden kann. Es ist die Geschichte eines bodenlosen Versagens und lässt unser Land als Unrechtsstaat erscheinen, in dem nach persönlichem Gusto Menschen mal mehr oder weniger genau nach Recht und Gesetz behandelt werden.

Wie in einer Dominokette reihen sich in dieser Affäre Fehler an Fehler. Der notwendige und richtige Rücktritt eines Ministers kann aber nicht alles sein, was an Aufklärung von uns zu fordern ist. Ich erhoffe mir eine schonungslose Auseinandersetzung mit den Urhebern - den Ermittlern und Staatsanwälten, die durch ein - meines Erachtens - Fehlverhalten für alles weitere ursächlich verantwortlich sind.

Und zum Abschluss nehmen wir noch einmal das Zettelchen. Das mit dem schlimmen Wort darauf. Und machen uns jeder seine eigenen Gedanken zu diesem Zettelchen. Und zu Herrn Edathy. Das ist nun nicht mehr zu vermeiden. Und vielleicht ist es auch gut so.



Twitter (6)

Im Januar war ich deutlich weniger bei Twitter unterwegs, als in den Monaten zuvor. Dennoch ist mit natürlich einiges über den Weg gelaufen, das ich Euch nicht vorenthalten möchte.

Eine wunderbare Sammlung von weiteren Tweets des Monats findet Ihr wie immer bei Anne Schuessler, die dort auch immer Links zu weiteren Tweetsammlungen anbietet. Jeden Monat ein neues Vergnügen.

Und die Lieblingstweets von JanBob findet ihr HIER

Passend zum Freitagsgefühl starte ich mit einem Tweet von heute und gehe dann den Monat bis zum Anfang durch:

Eine(n) Lanz(e) brechen

Eine Online-Petition zur Absetzung eines Moderators hat es bisher nicht gegeben und das es nun eine Online-Petition gibt, die die Absetzung von Markus Lanz fordert ist etwas völlig Neues und für den ein oder anderen Beobachter etwas unerhörtes. Unangenehm stösst mir dabei die Rolle von Spiegel-Online auf, die sich zunächst mit einer unnachahmlichen Selbstherrlichkeit am Lanz-Bashing beteiligen, um dann die Rolle des Lanz-Verteidigers zu übernehmen. Klar haben dort unterschiedliche Redakteure unterschiedliche Meinungen und man kann das getrost als Vielfalt in der Berichterstattung betitulieren. Aber ganz sauber ist das nicht.

Umso schöner, das eben auch dort Georg Diez den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Denn abstrahiert man die Diskussion um Markus Lanz ein wenig, dann geht es eben nicht um Markus Lanz, sondern um die Art wie das ZDF und auch andere öffentlich-rechtliche Sender Fernsehen machen. Und das unter ganz besonderen Prämissen, die ganz besondere Anforderungen implizieren, denen man nicht gerecht wird: Man hat einen "Auftrag" und mit eben diesem Auftrag wird die Finanzierung durch die Öffentlichkeit gerechtfertigt. So weit, so gut und ehrlich gesagt stimme ich dem zu. Ich zahle meine Gebühren tatsächlich gerne, wenn ...

Ja wenn. (Hier bitte eine sinnvolle Begründung für GEZ und Co. eintragen. Das kann jeder selbst definieren und Gründe für den Gebührenfinanzierten Rundfunk zu finden ist nicht schwer).

Aber um es noch einmal deutlich zu sagen: Im öffentlich rechtlichen Fernsehen geht es nicht darum, das man die freie Entscheidung hat, das anzusehen. Das man quasi mit der Fernbedienung abstimmt, ob man eine Sendung sieht - oder eben auch nicht. So funktioniert es nur mit den Privat-Sendern, denn diese können machen, was sie wollen. Dort zahle ich mit  Aufmerksamkeit. Das ist die Währung, mit der man dort sein Geld verdient. Da geht es tatsächlich nur um Einschaltquoten und um die Preise, die man dementsprechend für seine Werbung erzielt. Das ist ein ganz einfaches und eigentlich sehr transparentes Geschäftsmodell: Wenn meine Sendungen vielen Menschen gefallen und viele Menschen zusehen, dann verdiene ich eben mehr Geld mit Werbung. Das ist sehr schlicht, aber transparent auch für den Zuschauer. Und genauso funktioniert es: Wenn mir das Dschungelcamp nicht gefällt, dann schaue ich es nicht an - Basta.

Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist diese Argumentation aber ebenso schlicht - und falsch. Dort erhält man sein Geld aus den Gebühren der Beitragszahler. Dort hat man einen mehr oder weniger klar definierten Auftrag. Und daraus ergeben sich zahlreiche Verpflichtungen hinsichtlich der Art, der Menge und besonders hinsichtlich der Qualität der Berichterstattung. Und an Markus Lanz hat sich nun in einer neuen und besonderen Art und Weise der Zorn der Zuschauer entzündet. An Markus Lanz, aber besonders an den Sendern. Hier bricht sich die Unzufriedenheit eine Bahn. Die Unzufriedenheit über die Bräsigkeit und die Selbstherrlichkeit der öffentlich-Rechtlichen Sender und besonders mit dem ZDF. Markus Lanz ist nur ein Symptom. Er ist eine der vielen Pestbeulen, die das innerlich erkrankte System nach außen sichtbar machen. Da nehmen nun die Zuschauer Abstand und die Therapie selbst in die Hand. Man muss sich eigentlich wundern, das das nicht bereits früher geschehen ist. Denn wer sich "demokratisch" finanzieren lässt, muss auch damit rechnen, das "demokratisch" mit ihm umgegangen wird.

Markus Lanz tut mir leid. Er hat als Person diese Reaktionen in dieser Deutlichkeit wahrscheinlich nicht verdient. Er wird jetzt zum Sündenbock für eine verfehlte Programmpolitik des ZDF. Ich wünsche mir daher nur Eines: Das die Verantwortlichen des Senders in sich gehen, sich diese ganze Geschichte einmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen und die richtigen Schlüsse ziehen. Nämlich das man, wenn man ein öffentlich-rechtlicher Sender ist, den Programmauftrag nicht als immerwährende Berechtigung für ein "Weiter-So" hernimmt, sondern sich anstrengt der besonderen Verantwortung, die sich aus dem Konstrukt öffentlich-rechtliches Fernsehen ergibt, endlich ernst zu nehmen. 

Frohes Neues Jahr

Nach urlaubsbedingter Abwesenheit und einer schönen Zeit bei Freunden an der Ostsee sind wir wieder zu Hause angekommen. Morgen ruft der Alltag und der eigentliche Jahresanfang in Form des ersten Arbeitstages. Bis hierhin war es einfach nur Urlaub, Familienzeit und schlicht Schön!

 

Den Jahreswechsel haben wir, wie gesagt, an der Ostsee begangen und hatten dort eine schöne Zeit. Davon werden wir jetzt ein wenig zehren können und freuen uns auf das Wiedersehen mit unseren Freunden im Frühjahr.

Mit etwas Verspätung, aber von Herzen – Euch allen ein Gutes Neues Jahr. Und wenn es mal nicht so gut läuft, setzt Euch ein Partyhütchen auf, brennt ein paar Wunderkerzen ab und schreibt damit Eure Wünsche in die Nacht.

Twitter (5)

Hier mein Best-Of für den Dezember 2013.

Wiedereinmal nicht ganz pünktlich, aber aus gutem Grund, wir haben nämlich ein paar tolle Tage an der Ostsee verbracht und sind heute erst heimgekehrt. 

Und noch mehr Twitter-Perlen gibt es wieder bei Jan-Bob und bei Anne Schuessler